Justiz, Recht, Gesetz, Verordnung
Fontanis - Fotolia.com

Rechtsanwalt Dr. jur. Andreas Bierich informiertFreistellung abgelehnt: Selbstbeurlaubung erlaubt?

Grundsätzlich ist das unentschuldigte Fehlen eines Arbeitnehmers und eine eigenmächtige Urlaubsnahme - die sogenannte
"Selbstbeurlaubung" - geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB zu rechtfertigen. Denn der Arbeitnehmer verletzt, wenn er ohne jeglichen Grund nicht zur Arbeit erscheint, seine Hauptpflicht
zur Arbeitsleistung, von der ihn der Arbeitgeber nicht wirksam entbunden hat.

Doch gilt das Vorstehende auch, wenn der Arbeitnehmer einen gesetzlichen oder tariflichen Rechtsanspruch auf Freistellung hat, zum Beispiel bei familiären Ereignissen oder Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes?

Zum Fall: Ein Busfahrer wollte als Mitglied einer Tarifkommission an  Tarifverhandlungen teilnehmen. Aufgrund bestehenden
Personalmangels verweigerte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
die Freistellung. Der Arbeitnehmer beurlaubte sich selbst und nahm an den
Tarifverhandlungen teil. Die Folge: Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers. Zu Recht, so das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 23.11.2021 (AZ: 5 Sa 88/21).

Ein Arbeitnehmer ist auch dann grundsätzlich nicht berechtigt, sich selbst zu
beurlauben oder freizustellen, wenn er möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung von Urlaub oder Freistellung gehabt hätte. Ein solcher Anspruch ist
im Wege des gerichtlichen Rechtsschutzes, gegebenenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung, durchzusetzen, nicht aber durch eigenmächtiges Handeln.

Auch der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung wegen einer gleichartigen Pflichtverletzung, so das Gericht, war entbehrlich. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber eine bewusste Arbeitsverweigerung
ohne Rücksichtnahme auf seine Interessen, aber auch die anderer Mitarbeiter - zumindest einmalig - hinnehmen werde. Das Verhalten des Klägers, welches bewusst und nicht spontan erfolgte und sich in vergleichbaren Situationen
wiederholen könnte, lässt auf ein grundlegendes Fehlverständnis zu den
Rahmenbedingungen einer abhängigen Beschäftigung schließen, so das Fazit des Gerichts. Daher war dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung
des Arbeitnehmers - zumindest bis zum Ablauf der fiktiven Frist für
eine ordentliche Kündigung - nicht zumutbar.

Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht



Zu weiteren arbeitsrechtlichen Fragen beraten die Kreishandwerkerschaften exklusiv die Mitglieder einer Innung.