
EinzelfallentscheidungKnobeln statt arbeiten - fristlose Kündigung?
Die Arbeitspflicht ist im Arbeitsverhältnis die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers; dieser hat die vertraglich zugesicherte Arbeitsleistung in der abgemachten Arbeitszeit am vereinbarten Arbeitsort zu erbringen. Täuscht der Arbeitnehmer vorsätzlich den Arbeitgeber über den Umfang der von ihm geleisteten Arbeitszeit, verletzt er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Weise. Insbesondere gilt dies dann, wenn der Arbeitnehmer damit den Zweck verfolgt, in den Genuss einer ihm nicht zustehenden Vergütung zu kommen. Ein solcher "Arbeitszeitbetrug" kann nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte den Ausspruch einer fristlosen Kündigung gemäß § 626 BGB rechtfertigen. Aber stets können besondere Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen, wie eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Herne (Urteil vom 10.12.2021, Az: 5 Ca 1495/21; nicht rechtskräftig) zeigt.
Der Fall: Ein städtischer Reinigungsbetrieb musste feststellen, dass sich ein Reinigungsteam mit seinem Straßenreinigungsfahrzeug wiederholt auf Abwegen befand. So wurden mehrfach Ziele angefahren, die mit der Arbeit nichts zu tun hatten wie Getränkemärkte, ein Vereinsgelände oder die Privatadresse eines Teammitgliedes. Und gerne wurde auf der Terrasse des Vereinsheims während der Arbeitszeit geknobelt. Die Stadt sprach nach einem Personalgespräch gegenüber einem der beteiligten Arbeitnehmer die fristlose Kündigung aus.
Zu Unrecht, so das Arbeitsgericht Herne. Zwar stellt das Verhalten des Arbeitnehmers eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar, die einen an sich geeigneten Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Allerdings berücksichtigte das Gericht zugunsten des Arbeitnehmers - neben seinem Lebensalter von 58 Jahren und Unterhaltspflichten - dessen mehr als 28 Jahre beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit. Zwar habe der Arbeitnehmer seinen über Jahrzehnte aufgebauten Vertrauensvorrat fast vollständig verspielt. Dennoch sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig,
um zukünftige Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers auszuschließen. Sein zukünftiges Verhalten könne auch durch eine Abmahnung positiv beeinflusst werden.
Fazit: Auch schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers rechtfertigen nicht in jedem Fall den Ausspruch einer Kündigung, sei es fristlos oder fristgemäß. Als Innungsmitglied berät Sie dazu die Geschäftsstelle Ihrer Kreishandwerkerschaft - idealerweise vor Ausspruch der Kündigung.
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Für die arbeitsrechtliche Beratung bei Konflikten im Arbeitsverhältnis stehen Betrieben, die Mitglieder einer Innung sind, die Kreishandwerkerschaften exklusiv zur Verfügung.