Symbolbild Überwachungskamera in Lagerhalle
Oleksandr - stock.adobe.com

Dr. Bierich informiertDatenschutz ist kein Täterschutz - Neues zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz

In bestimmten Bereichen eines Betriebes wie im Eingangs- und Kassenbereich ist die offene Videoüberwachung rechtlich zulässig, da an diesen Orten die Wahrscheinlichkeit der Begehung von Rechtsverstößen durch Kunden und Mitarbeitern größer ist als im Normalfall. „Offen“ ist eine Videoüberwachung dann, wenn durch für jeden erkennbare Schilder auf die Kamera hingewiesen wird. Ob Aufzeichnungen einer offenen Videoüberwachung, die gegen Datenschutzregeln verstößt, im Kündigungsschutzprozess als Beweismittel herangezogen werden können, war Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 29.06.2023, Az.: 2 AZR 296/22).

Was war passiert? Einem in einer Gießerei beschäftigten Arbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber unter anderem vorgeworfen, am 2. Juni 2018 vor Schichtbeginn das Werksgelände verlassen zu haben und später trotzdem Lohn für die Schicht kassiert zu haben. Belegt wurde sein Tun durch das Video einer am Tor des Geländes angebrachten Überwachungskamera; der Arbeitgeber hatte nach einem anonymen Hinweis deren Aufzeichnungen erst im Herbst 2019 ausgewertet. Im Oktober 2019 kündigte er das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien außerordentlich, hilfsweise fristgemäß.

Der Arbeitnehmer leugnete im Kündigungsschutzprozess zunächst sein Fehlverhalten. Und als der Arbeitgeber das Video als Beweismittel in die Verhandlung einführen wollte, berief sich der Arbeitnehmer auf ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Denn nach einem bei der Überwachungskamera angebrachten Hinweistext sollten Videoaufzeichnungen nur 96 Stunden vorgehalten werden. Der Arbeitgeber hatte die Aufzeichnungen aber erst im Herbst 2019 ausgewertet.

Die beiden Vorinstanzen, hier das Arbeitsgericht Hannover und das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen, gaben dem Arbeitnehmer in dieser Hinsicht recht und erklärten die Kündigung des Arbeitnehmers wegen vermeintlichen Arbeitszeitbetruges für unwirksam. Anders das BAG: Es spiele „keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach“. Einer Verwertung der personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers durch die Arbeitsgerichte stehe die DSGVO nicht entgegen. Das gelte jedenfalls dann, wenn wie im zu entscheidenden Fall die Datenerhebung offen erfolgt und ein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten in Rede steht. „In einem solchen Fall ist es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial zugewartet hat und es bis dahin vorgehalten hat“, so das BAG in seiner Pressemitteilung. Und da es das LAG Niedersachsen versäumt hatte, die betreffende Bildsequenz aus der Videoüberwachung in Augenschein zu nehmen, wurde der Rechtsstreit an das LAG zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.



Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht



Für die arbeitsrechtliche Beratung bei Konflikten im Arbeitsverhältnis stehen Betrieben, die Mitglieder einer Innung sind, die Kreishandwerkerschaften exklusiv zur Verfügung.