Wird ein Arbeitnehmer krank, braucht er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Alexander Raths - stock.adobe.com

Fristlose Kündigung eines AuszubildendenDer Auszubildende, der Fitnessclub und der "gelbe Schein"

Die außerordentliche Kündigung wegen des Vortäuschens einer Krankheit ist ein arbeitsrechtlicher Dauerbrenner. Legt der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, kommt dieser eine hohe Beweiskraft zu. Und dem Arbeitgeber wird es in aller Regel nicht gelingen, diese vor Gericht zu erschüttern. Das Arbeitsgericht Siegen hat dagegen in einer mutigen Entscheidung (Urteil vom 17.03.2022, Az.: 5 Ca 1849/21) die fristlose Kündigung eines Auszubildenden, der eine Prüfung an der Berufsschule wegen angeblicher Krankheit versäumte, für wirksam erklärt.

Der Fall: Ein Auszubildender zum Sport- und Gesundheitstrainer war bei einer Prüfung in der Berufsschule durchgefallen; die Nachprüfung war für den 05./06.10.2021 angesetzt. Am 06.10.2021 erschien der spätere Kläger im Fitnessstudio seines Arbeitgebers und legte eine AU-Bescheinigung für den 05. bis 07.10.2021 vor. Anschließend absolvierte der Kläger ein intensives Krafttraining; an der Prüfung nahm er dagegen nicht teil. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber fristlos.

Der sportbegeisterte Auszubildende erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Zu Unrecht, wie das Arbeitsgericht Siegen urteilt. Dem Vortrag des Klägers, er sei am Vormittag des 06.10.2021 „spontan genesen“ und habe entsprechend auch gearbeitet, ließ sich das Gericht „nicht weismachen“, so wörtlich in den Urteilsgründen. Einen solchen Vortrag „müsse man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen“. Der Kläger sei vielmehr nie krank gewesen und habe sich nur krankschreiben lassen, um nicht an der Nachprüfung teilnehmen zu müssen. Ob es sich bei der AU-Bescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung handelte oder diese erschlichen worden war, spielte für das Arbeitsgericht keine Rolle. Denn: „Kein Auszubildender dürfe davon ausgehen, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen, insbesondere wenn es sich um eine Nachprüfung handelt, zu entziehen“. Die durch das Verhalten des Auszubildenden begangene schwere Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten rechtfertigt daher eine fristlose Kündigung, so das Arbeitsgericht Siegen.

Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht



Für die arbeitsrechtliche Beratung bei Konflikten im Arbeitsverhältnis stehen Betrieben, die Mitglieder einer Innung sind, die Kreishandwerkerschaften exklusiv zur Verfügung.