Die Geschäftsführer Leonie Behrens und Philip Wagemann stehen in einem Linienbus, der auf Wasserstoff umgerüstet wird.
Schmitz / Handwerkskammer

Der Betrieb E-Cap Mobility aus Winsen (Luhe) arbeitet am CO2-neutralen Fußabdruck. Alternative Antriebssysteme für Individual-, Nutzfahrzeuge und Schwerlasttransporter, aber auch für Schiffe und Leichtflugzeuge werden in den Werkstätten entwickelt und eingebaut. Dem Wandel einen Schritt voraus

Käme aus Auspuffrohren nur noch Wasser-dampf, könnten Städte und Kommunen buchstäblich aufatmen. Angesichts der Probleme mit Schadstoffen und dem Energieverbrauch von Benzin- und Dieselantrieben ist die Umrüstung auf alternative Antriebssysteme zukunftsweisend. „Der Elektroantrieb und die Wasserstofftechnologie werden immer mehr zur Alternative“, sagt Leonie Behrens. Sie leitet gemeinsam mit Philip Wagemann die Geschäfte von E-Cap Mobility in Winsen an der Luhe. Der Betrieb entwickelt Elektroprototypen für den emissionsfreien Antrieb von Fahrzeugen auf der Straße, zu Wasser und in der Luft.

Lösungen für Fahrzeugflotten

In einer der großen Betriebshallen steht ein Linienbus. Darunter: Kfz-Mechatroniker Steffen Soetbeer und Joshua Bogatzki mit Schraubendreher und Zange. Darüber: vier riesige Wasserstofftanks auf dem Dach. „Der Bus hat bisher Diesel getankt. Von uns erhält er nun einen Wasserstoffantrieb“, erklärt Leonie Behrens. Umgerüstet werde längst nicht mehr nur der einzelne Oldtimer. Viele Kommunen und Transportunternehmen würden mittlerweile auf den Betrieb zukommen und um Lösungen für ihre Fahrzeugflotten bitten. „Seitdem die Clean-Vehicle-Richtlinie 2020 von der Politik verabschiedet wurde, steigt die Nachfrage rasant“, sagt die 37-Jährige. Vor dem Hintergrund des Klimaschutzes und der Forcierung nachhaltiger Mobilität schreibe eine europäische Richtlinie Beschaffungsquoten für saubere und emissionsfreie Fahrzeuge in kommunalen Anwendungsbereichen wie dem öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) vor, erklärt die Geschäftsführerin. „Genau da kommen wir ins Spiel.“ Insbesondere kommunale Flotten von Spezialfahrzeugen müssten umgerüstet werden. Dies sei günstiger als die Neuanschaffung. „Die großen Hersteller bieten ohnehin noch keine ausgereiften Lösungen an, meist braucht der Kunde oder die Kommune eine individuelle Problembehebung für Müllfahrzeuge oder Kehrmaschinen“, erklärt sie. Zurzeit gebe es viele Fördermaßnahmen von Bund und Land. „Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten“, betont sie.

Die Skepsis gegenüber der Elektromobilität weiche laut Behrens langsam auf: „Die Vorstellung von leeren Batterien auf der Autobahn und Flammen-Infernos nach einem Unfall weichen der Zuverlässigkeit und dem Willen, das Klima zu schützen.“ E-Cap Mobility verbaue ausschließlich nicht entflammbare Akkus, ohne Kobalt und Nickel. Die Antriebsart eines Fahrzeugs hänge von der Nutzung ab: „Ein kleines Fahrzeug für Kurzstrecken  ist mit einer Batterie gut ausgestattet“, erklärt die Geschäftsführerin. „Große, schwere Fahrzeuge, die lange Strecken zurücklegen, sind mit Brennstoffzelle und Wasserstofftank besser gerüstet.“ Trotz aller Vorschriften, Entwicklungen und großem Umdenken müsse die Politik laut Behrens mehr tun für die konkrete Umsetzung: „Die Zugänglichkeit für Fördermaßnahmen muss dringend entbürokratisiert werden.“ Die Hürden, ihren Fuhrpark umzurüsten, seien insbesondere für kleinere Betriebe noch zu hoch, die Einzelmaßnahmen zu teuer.

Der Betrieb E-Cap-Mobility aus Winsen (Luhe) arbeitet an der Umsetzung des CO²-neutralen Fußabdrucks.
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Projektentwickler Patrick Bentzen zeigt den Entwicklungsstand an einem Dieselbus, der einen Wasserstoffantrieb bekommt.
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Projektentwickler Patrick Bentzen zeigt den Entwicklungsstand an einem Dieselbus, der künftig mit Wasserstoff angetrieben wird.

Ausgeklügeltes System in jedem Vorhaben

Was in einer derartigen Einzelumrüstung an Know-how steckt, erklärt Projektentwickler Patrick Bentzen: „In jeder Entwicklung steckt ein ausgeklügeltes System. Von der Wahl des Akkus, dessen Kühlsystem, bis hin zur Platzierung der Wasserstofftanks und der Softwareoptimierung muss alles passen.“ Dafür beschäftigt E-Cap Mobility Software-Entwickler, Ingenieure, Schlosser, Schweißer und Kfz-Mechatroniker mit Weiterbildung zum Hochvolttechniker. „Am liebsten würden wir einen eigenen Ausbildungsberuf kreieren“, sagt Leonie Behrens. Mit der Berufsschule in Winsen seien schon erste Gespräche geführt worden. Zurzeit hat der Betrieb vier Auszubildende. „Es ist ein spezielles Gebiet, unsere Azubis müssen nicht nur fachlich versiert sein, sie müssen auch an nachhaltiger Technik und ressourcenschonenden Entwicklungen Interesse haben“, erklärt Behrens.

Der Betrieb startete laut Behrens einst mit einer Idee des Gründers Dirk Lehmann: Sein alter Traktor sollte leiser und emissi-onslos werden, damit er auf Dorffesten ein-gesetzt werden kann. Während der Umrüstung des Treckers sei die Vision entstanden, weitere Fahrzeuge umzubauen. Die Nachfrage stieg rasant. „Wir haben immer mehr Projektpartner gewonnen“, erzählt Leo-nie Behrens. E-Cap Mobility entwickelt heute auch alternative Antriebe für Schiffe und Leichtflugzeuge. Eine Erwei-terung des Betriebs am Standort Winsen (Luhe) ist laut Geschäftsführung geplant. 

Konstruktionsmechanikerin Jennifer Kurth stellt für jeden verbauten Akku eine eigene Box her.
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Konstruktionsmechanikerin Jennifer Kurth stellt für jeden verbauten Akku eine eigene Box her.



Statt an einer Dieselzapfsäule tankt dieser Bus künftig am Wasserstoff-Hahn.
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Statt an einer Dieselzapfsäule tankt dieser Bus künftig am Wasserstoff-Hahn.



Holger Fiegenbaum, Beauftragter für Innovation und Technologie im Handwerk (BIT), zum Thema alternative Antriebssysteme 

Herr Fiegenbaum, was raten Sie Betriebsin-habern zum Thema Umrüstung oder Neu-aufstellung ihres Fuhrparks auf alternative Antriebssysteme?

Holger Fiegenbaum: Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, im Rahmen der Erneuerung des Fuhrparks auch auf alternative Antriebssysteme zu setzen. Anders als beim bisher gewohnten Fahrzeugtausch zu Verbrennerfahrzeugen der nächsten Generation ist der Umstieg auf Elektrofahrzeuge aber mit einem umfassenden Informationsbedarf verbunden, wie ich es in der Beratungstätigkeit immer wieder erfahre. Mit Blick auf die von mir in den zurückliegenden Jahren durchgeführten Fachveranstaltungen zum Thema Elektromobilität hat sich das PKW-Angebot in diesem Segment kontinuierlich erhöht. Erfreulich ist auch, dass im Segment der Nutzfahrzeuge - über die Kleintransporter hinaus - seit kurzem die gesamte Palette bis zum Großraumkasten L5H3 mit 4,25 t zulässiges Gesamtgewicht seitens der Hersteller zum Verkauf oder Leasing angeboten werden. Während sich also bei den PKW und den Transportern, nicht zuletzt aufgrund der Förderungen, ein dynamisches Marktgeschehen in Richtung Markthochlauf abzeichnet, befindet sich der Einzug der elektrischen Antriebe im darüber liegende Mittel- und Schwerlast-LkwSegment noch in den Anfängen. Gegenwärtig gibt es in den LKW-Klassen bis 7,5t und darüber nur einen Hersteller, der diese Klassen werksseitig bedienen kann. Ansonsten spielt in diesen Klassen die Umrüstung von Fahrzeugen aktuell noch die größere Rolle. Um zu betriebsspezifischen passgenauen Lösungen im Thema alternative Antriebe zu gelangen, sind zunächst mittels Fuhrpark- und Nutzungsprofilanalyse Vorarbeiten durchzuführen. Darüber hinaus muss die Versorgungssicherheit mit Fahrstrom sichergestellt sein.

Für welche Gewerke lohnt sich ein Umdenken zum jetzigen Zeitpunkt?

Holger Fiegenbaum: Begrenzender Faktor ist immer noch die Reichweite der verfügbaren Antriebssysteme. Vereinfacht gesagt gilt also: Je gleichförmiger die täglichen Fahrstrecken und je verhaltener die Ausnutzung der Zuladung, desto geeigneter ist für diesen Einsatzbereich ein Elektrofahrzeug. Daher ist es nicht überraschend, dass seit Jahren maßgeschneiderte Elektromobilitätslösungen im Bäckerhandwerk sowie in den Gewerken Gebäudereiniger, Maler, Elektrotechnik und Schornsteinfeger erfolgreich im urbanen und regionalen Umfeld Anwendung finden. Bei Serviceunternehmen aber, wo die Fahrzeuge schwer beladen überregional täglich mehrere Einsatzorte zu erreichen haben und folglich Routen ständig wechseln, muss die Eignung von Elektrofahrzeugen besonders gut geprüft und deren Anschaffung ggf. aufgeschoben werden bis mittels weiterentwickelter Batterietechnologie größere Reichweiten realisiert werden können. Eine gute Planbarkeit der Fahrstrecke und verfügbare Ladeinfrastruktur sind also wichtige Voraussetzungen. In einer Sondersituation sind häufig Fahrzeuge des Bau- und Ausbaugewerbes, wenn sie während der Arbeitszeit auf der Baustelle stehen. Hier könnten Elektrofahrzeuge auch laden, vorausgesetzt es ist über den Baustromanschluss möglich und wird beispielsweise vom Bauträger genehmigt. Ansonsten wird jedoch das übernachtladen der Elektrofahrzeuge auf dem Betriebsstandort die Regel sein. Dabei ist allerdings die Dimensionierung des Stromanschlusses des Grundstücks der begrenzende Faktor.

Welche Förderungen stehen Handwerksbe-trieben bei der Beschaffung von E-Fahrzeugen zur Verfügung?

Holger Fiegenbaum: Bis Ende 2025 beantragbar ist die sogenannte BAFA Förderung. Es wird sowohl die Neuanschaffung von Elektrofahrzeugen als auch die Anschaffung von sogenannten jungen Gebrauchtfahrzeugen mit einem Umweltbonus von bis zu 9.000 Euro bezuschusst. Förderfähig sind alle Modelle, die in der entsprechenden BAFA-Fahrzeugliste genannt sind. Auch das Fahrzeug-Leasing wird gefördert. Sehr wichtig ist, dass die Antragstellung erst nach der Zulassung des Fahrzeugs erfolgen kann. Weitere Details sind unter BAFA-Elektromobilität im Netz abrufbar. Relativ neu ist auch die BAFA Förderung von gewerblich genutzten E-Lastenrädern. Weitere Details finden sich unter BAFA-E-Lastenräder im Netz. Seit Mitte Dezember 2020 gab es in Niedersachsen die sehr interessante Förderung einer nicht öffentlichen Ladeinfrastruktur für Unternehmen. Leider besteht mit Beendigung des ersten Förderaufrufes am 31. März 2021 derzeit keine Antragsmöglichkeit mehr. Hier ist aus Unternehmenssicht hinsichtlich investiver Maßnahmen mehr Langfristigkeit und somit Planungssicherheit durch die Politik wünschenswert.