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Rechtsanwalt Dr. jur. Andreas Bierich erklärt, ob Überstunden auf Basis von technischen Zeitaufzeichnungen vergütet werden müssen, wenn Arbeitgeber*innen ihrer Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht nachkommen.Überstundenvergütung, Beweislast und Europa

Können Arbeitnehmer*innen die Vergütung für Überstunden auf Basis von technischen Zeitaufzeichnungen verlangen, wenn der*die Arbeitgeber*in seiner*ihrer Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht nachgekommen ist?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat mit Urteil vom 6. Mai 2021 (AZ: 5 SA 1292/20) hier (zunächst) für Klarheit gesorgt und einen Anspruch des klagenden Arbeitnehmers abgewiesen.

Der Hintergrund: Am 14. Mai 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH, AZ: C-55/18) geurteilt, dass für Arbeitgeber*innen innerhalb der EU grundsätzlich eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeitenden bestehen müsse.

Zum Fall: Der klagende Arbeitnehmer machte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Emden Überstundenvergütung für einen Zeitraum von 1,5 Jahren auf Basis der von der Beklagten erstellten technischen Zeitaufzeichnungen geltend. Das ArbG Emden gab der Klage mit Teilurteil vom 9. November 2020 ( AZ: 2 Ca 399/18) insoweit statt - die Beklagte habe es versäumt, die Arbeitszeiten des Klägers zu erfassen und zu kontrollieren. Dazu sei sie aber in europa-rechtskonformer Auslegung des § 618 verpflichtet gewesen. Die vorgelegten technischen Zeitaufzeichnungen reichten als Indiz für die geleistete Arbeitszeit aus.

Das LAG Niedersachsen hat das deutsche Verständnis von der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess dankenswerterweise wieder hergestellt und die Klage abgewiesen. Denn ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt stets neben deren Leistung voraus, dass diese vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Leistung notwendig gewesen sind. Diese genannten Voraussetzungen für die Überstundenvergütung habe der Kläger, so das LAG, nicht dargelegt. Dem oben zitierten Urteil des EuGH vom 14.05.2019 komme keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess zu; es fehle dem EuGH europa-rechtlich an einer Kompetenz zur Entscheidung über Fragen der Vergütung. Allerdings hat das LAG in seiner Entscheidung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, womit dem Kläger der Gang zum obersten deutschen Arbeitsgericht offen steht.

Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht