Bäckermeister Jörn Holste mit Selfie-Stick
Handwerkskammer

TitelthemaVisionär digitalisiert

Bäckermeister Jörn Holste setzt auf die Attraktivität seines Gewerks, einen zukunftsfähigen Betrieb, optimiert Abläufe und konzipiert digitale Strategien mit Hilfe von Instagram, YouTube, Facebook und Podcasts.

Das Rezept für gutes Brot hat Jörn Holste von seinem Vater übernommen. Die Anleitung für eine zukunftsorientierte, moderne Betriebsführung schreibt der Bäckermeister täglich selbst. Jörn Holste setzt auf Transparenz und Nahbarkeit mit Hilfe von Videos, Fotos und Audioproduktionen für soziale Netzwerke. Dabei bezieht er die Mitarbeiter seines Familienbetriebs aus Backstube und im Verkauf mit ein. „Der Beruf des Bäckers ist attraktiv“, betont der 47-Jährige. Das allgemeine Bild des Gewerks sei es jedoch nicht. Das frühe Aufstehen, die anstrengende Handarbeit, fragliche Karrierechancen schreckten junge Menschen ab. „Das muss ich ändern“, sagt Holste. Dafür müsse er seine Zielgruppen erst einmal erreichen. „Das sind sowohl potenzielle Auszubildende und Mitarbeiter, aber auch die nächste Käufergeneration“, erklärt er.

Jörn Holste hat sich die sozialen Netzwerke zunutze gemacht. Er habe sich erst einlassen müssen auf Kreativität, Spielerei und visuelles Marketing. Aber die Digitalisierung sei längst da, das Erreichen der jüngeren Generation auf konventionellem Weg kaum mehr möglich. „Dokumentiere ich aber den Alltag, interviewe Kunden und mache meine Betriebsabläufe transparent, gewinne ich viel Aufmerksamkeit“, erklärt der Meister. Auf YouTube, Facebook und Instagram hat er mittlerweile eine Community aufgebaut, die regelmäßig liked, kommentiert und teilt. Dafür braucht es laut Holste Ausdauer. „Die Follower kommen nicht über Nacht, die Liebe zum Handwerk auch nicht“, erklärt er. Also hat er den visionären Gedanken im eigenen Unternehmen implementiert: Durch die Backstube geht es im Videomodus, mit Selfiestick vor dem Brotbackofen gibt es ein kurzes Interview, das Teigkneten wird fotografiert, hinter der Verkaufstheke überreicht die Mitarbeitende gerade das frische Brot für einen Kunden und im kleinen Studio wird bearbeitet und vertont. „Vor dem Smartphone interessieren sich die allermeisten für das Emotionale hinter einer Tätigkeit, den Menschen mit Leidenschaft“, erklärt er.

Auf Instagram betreibt Jörn Holste gleich mehrere Kanäle: für Auszubildende, für Kunden, für Handwerkskollegen, als Coach. Sich Hilfe für den Start zu holen sei dabei kein Beinbruch: „Loslegen, ausprobieren und andere um Rat fragen“, rät Holste. So habe auch er sich immer weiterentwickeln können. Neben der starken Philosophie, die ein Betrieb haben sollte, ließe sich über viele Alltags-Einblicke auch die Vision vermitteln: „Ich möchte als Betriebsinhaber nicht nur für richtig gute, regionale, nachhaltige Produkte stehen, sondern auch für das moderne Bäckerhandwerk in einem zukunftsfähigen Familienbetrieb.“ Gegründet hat er jüngst eine Facebookgruppe für Handwerker, außerdem holt er in dieser „Visionswerkstatt Handwerkerherzblut“ regelmäßig Gesprächspartner aus dem Handwerk ans Mikrofon. Immer zu Themen, die gewerkeübergreifend bewegen oder mental im Berufsleben von Bedeutung sind.

„Ich sehe mich als stolzen Betriebsinhaber einer Familienbäckerei, aber auch als Coach für Kollegen und andere Interessierte.“ Für ihn hänge eine gute Betriebsführung auch ganz entscheidend von der inneren Einstellung und Gesundheit ab. Laut Holste schließen in der Region viele Inhaber ihre Betriebe. Wegen der Wirtschaftslage oder des fehlenden Nachwuchses. „Diesem entstehendem Vakuum möchte ich schon jetzt begegnen“, betont er. Über die sozialen Netzwerke ließen sich für so viele Zielgruppen Perspektiven auf sein Handwerk öffnen. Das sei wertvoll für den Betrieb, aber auch für den Handwerksberuf. Um keine Chance verstreichen zu lassen, den Fachkräften die Hand zu reichen und keinesfalls zu riskieren, den Kunden nicht mehr zu erreichen, stellt Holste die Weichen: „Ich möchte auf die Frage, ob ich alles getan habe, stets mit Ja antworten können.“

 

Social Media im eigenen Unternehmen

Auch wenn die Digitalisierung im Handwerk mittlerweile deutlich vorangeschritten ist, so ist trotzdem bislang nur eine Minderheit der Handwerksbetriebe in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, LinkedIn oder YouTube unterwegs. Laut einer Umfrage von 2020 des Zentralverbands des Deutschen Handwerks haben 9 Prozent der Handwerksbetriebe einen eigenen Internetauftritt. Und rund zwei Drittel aller Handwerksbetriebe sehen in der Digitalisierung eine Chance. Gleichzeitig sind es lediglich 19 Prozent der befragten Handwerksbetriebe, die mit der Digitalisierung das eigene Geschäftsmodell beeinflusst sehen. Und nur 21 Prozent bieten darüber neue Produkte oder Dienstleistungen an. Weniger als ein Drittel der befragten Handwerksbetriebe nutzen Social-Media-Netzwerke. Zum Vergleich: Der Anteil aller Unternehmen in Deutschland mit einer Präsenz im Social-Media-Bereich liegt bei 53 Prozent.

Informationen

Erste Schritte zur eigenen Social-Media-Strategie:
www.handwerk.com/tipps-fuer-erfolgreiche-social-media-nutzung

www.handwerk.com/tipps-fuer-erfolgreiche-social-media-nutzung

Backstube der Igel Bäckerei
privat

Geselle mit Brot in der Igel Bäckerei von Jörn Holste
privat

Bäckermeister Jörn Holste von der Igel Bäckerei vor dem Mikrofon
Handwerkskammer



www.igel-baeckerei.de

Soziale Plattfomen für Handwerksbetriebe

 Interview mit Handwerkskammer-Berater Christian Jürgens