Symbolbild Abmahnung
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Dr. Bierich informiertImmer zu spät: Dreimal Gelb und doch kein Rot

Was im Fußball die rote Karte ist, ist im Arbeitsrecht die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Vor dem Platzverweis zeigt der Schiedsrichter in der Regel die gelbe Karte - und der Arbeitgeber spricht gegenüber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung aus. Deren Warnfunktion soll dem Arbeitnehmer vor Augen führen, dass der Arbeitgeber weitere Fouls - sprich arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen - nicht weiter hinnehmen wird. Doch das manchmal viel nicht viel hilft, erlebte ein Arbeitgeber zu seiner Überraschung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Urteil vom 20.10.2022, Az.: 8 Sa 465/22).

Was war passiert? Ein seit gut drei Jahren in der Produktion beschäftigter Arbeitnehmer erhielt im März 2021 zeitgleich drei Abmahnungen. Deren Gegenstand war der Vorwurf wiederholten deutlichen Zuspätkommens zur Arbeit an drei aufeinanderfolgenden Tagen zum Anfang des Jahres 2021. Nach einem erneuten Vorfall Anfang Juli 2021 - der Arbeitnehmer nahm ca. 40 Minuten zu spät seine Arbeit auf - kündigte der Arbeitnehmer verhaltensbedingt.

Der Arbeitnehmer war der Meinung, die Kündigung sei unverhältnismäßig und wehrte sich mit einer Klage. Denn in keiner der Abmahnungen sei - wie es im Falle mehrerer vorheriger und gleichartiger Abmahnungen erforderlich sei - der Hinweis enthalten, dass es sich um die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung im Wiederholungsfall handelt.

Das LAG Köln gab dem Arbeitnehmer Recht und stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Es hätte, so das Gericht, vor Ausspruch der Kündigung einer weiteren Abmahnung bedurft. Dabei berücksichtigte das LAG zum Nachteil des Arbeitgebers, dass dieser die Abmahnungen jeweils nicht unmittelbar nach dem Fehlverhalten des Arbeitnehmers ausgesprochen hatte und diese gebündelt dem Arbeitnehmer erst später ausgehändigt hatte. Damit sei die Situation vergleichbar mit einer ausgesprochenen „Sammelabmahnung“, mit der einheitlich mehrere Pflichtverletzungen abgemahnt werden. Und in beiden Fällen werde dem Arbeitnehmer keine „zweite Chance“ eingeräumt. Der Arbeitgeber hätte ihm wegen der verhältnismäßig geringen Schwere der Pflichtverletzung die Gelegenheit geben müssen, sein Verhalten zu ändern und geeignete Vorkehrungen gegen weitere verspätete Arbeitsaufnahmen zu treffen.

Fazit: Von der Aushändigung gebündelter Abmahnungen an den Arbeitnehmer ist - wie auch von der Sammelabmahnung - dringend abzuraten. Denn dabei handelt es sich zwar um mehrere einzelne Abmahnungen, die aber zeitlich nur einmal wirken und im Ergebnis dieselbe Wirkung entfalten wie eine einzelne Abmahnung. Dadurch verfehlen diese eventuell ihre Warnfunktion, weil der Arbeitnehmer sie nicht mehr seinem Fehlverhalten zuordnen kann.



Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht



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