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Dr. Bierich informiert"Eher etwas für flinke Frauenhände" - eine teure Bewerbungsabsage

Stellenausschreibungen sind grundsätzlich nach den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geschlechtsneutral zu formulieren. Gleiches gilt für das Auswahlverfahren und die sich anschließende Auswahlentscheidung, die diskriminierungsfrei erfolgen müssen. Eine Ausnahme gilt nach § 8 Abs. 1 AGG nur dann, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder wegen der Bedingungen ihrer Ausübung eine „wesentliche oder entscheidende berufliche Anforderung“ darstellt. Dies ist aber so gut wie nie der Fall, was eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Nürnberg belegt (Urteil vom 13.12.2022, Az.: 7 Sa 168/229).

Der Fall: Das später beklagte Unternehmen stellt Modelle von PKWs, LKWs und öffentlichen Verkehrsmitteln im Maßstab 1:87 aus 100 bis 150 Einzelteilen her. Im Jahr 2021 schrieb der Modellfahrzeughersteller eine Stelle als Bestücker (m/w/d) für eine Digitaldruckmaschine aus. Laut Stellenbeschreibung müssten Bewerber unter anderem „Fingerfertigkeit bzw. Geschick“ mitbringen, da die an der Maschine verwendeten Teile sehr klein seien. Ein Stellenbewerber erhielt später von der Prokuristin des Unternehmens eine schriftliche Absage mit den Worten: „Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“. Der Mann fühlte sich daraufhin wegen seines Geschlechts diskriminiert und verlangte vom beklagten Unternehmen eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern.

Zu Recht, so das LAG und sprach dem Kläger eine Diskriminierungsentschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach zu. Die Stellenabsage wegen der „fehlenden flinken Frauenhände“, die die Prokuristin mit ihrer Lebenserfahrung bezüglich kleinteiliger Arbeit durch Männerhände rechtfertigte, stelle ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Der Arbeitgeber habe diesen Eindruck auch nicht entkräften können. Den Einwand der Prokuristin, Internetrecherchen hätten gezeigt, dass der Kläger zu große Hände für die auszuführenden Tätigkeiten habe, ließ das Gericht nicht gelten. Denn dies sage nichts über seine tatsächliche Fingerfertigkeit aus. Das Angebot der Beklagten an den Kläger, durch Probearbeit seine Eignung zu beweisen, sei zudem erst nach seinem Geltendmachungsschreiben und damit zu spät erfolgt.

Im Ergebnis hielt das Gericht eine Entschädigung von 1,5 Brutto-Monatsgehältern in Höhe von 2.500 € für angemessen. Denn der Kläger hatte kurz nach der Absage einen Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber unterschrieben. Zudem habe der Kläger in sozialen Medien selbst über die Absage berichtet, sodass der Arbeitgeber davon abgehalten werde, künftig weitere Absagen ähnlich zu begründen.

Tipp: Grundsätzlich müssen Absagen an Bewerber nicht genauer erklärt werden. Empfehlenswert sind möglichst unverbindliche Aussagen, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden. Damit ist für Arbeitgeber ein gewisser Schutz vor Klagen gewährleistet.



Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht



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