Fleischerei Neubauer aus Braunschweig
Handwerkskammer

TitelthemaDie Last der Verwaltung

Die Belastung in ihren Betrieben ist groß: Metallbauermeisterin Kathrin Severidt und Fleischermeister Jens Neubauer, beide aus Braunschweig sowie Tischlermeister Jörg Klintworth aus Deinste berichten von immer weiterwachsenden bürokratischen Auflagen und Pflichten.



 

ZDH: Bürokratiebelastung im Handwerk

Um eine aktuelle Einschätzung der Handwerksbetriebe zur Entwicklung bürokratischer Lasten zu erhalten, führt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gemeinsam mit den Handwerkskammern eine Umfrage zum Thema durch.

Teilnahme bis 30. April für Betriebe

www.zdh-umfragen.de/buerokratie



Metallbauermeisterin Kathrin Severidt: "Vieles nicht mehr umsetzbar."

Geschätzte 40.000 Euro kostet es Metallbaumeisterin Kathrin Severidt jährlich, bürokratische Auflagen abzuarbeiten. Für einen kleinen Betrieb mit insgesamt zehn Mitarbeitern sei das eine riesige Summe. „Siebzig Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich mit Zahlen, Daten und Fakten, die es an Behörden und Ämter zu übermitteln gilt“, erklärt Kathrin Severidt. Den Metallbaubetrieb in Braunschweig hat sie von ihrem Vater übernommen. Der gründende Großvater habe aus eigenen Erzählungen etwa fünf Prozent benötigt, für den Vater waren es 20 Prozent für die Bürokratie. „Das ist keine haltbare Entwicklung“, betont die 52-Jährige. Den allermeisten Betriebsinhabern ginge es vorrangig um die angebotene Leistung, den Kunden, die Kreativität und Lösungsfindung. „Bei 375 Verordnungen im Hinterkopf verschieben sich die Schwerpunkte zwangsläufig“, sagt Severidt. Das koste Zeit und viel Geld und müsse am Ende auch auf die Rechnung des Kunden übertragen werden. Dabei stehe sie sehr wohl hinter den Verordnungen aus den Fachausschüssen.

Von sich aus tue sie schon sehr viel: „Zum Wohle meiner Mitarbeiter, der Innovationskraft des Betriebs und für meine Kunden investiere ich ohnehin ständig.“ Jedoch werden die Vorschriften aus der Politik laut Severidt immer extremer. „Ich habe so viele Behörden und Ämter und Pflichten im Nacken, dass es an Irrsinn grenzt.“ Die Meisterin erinnert sich: „Die Gewerbeaufsicht wollte neulich, dass ich einen Handvibrationsalarm als Auflage zur Studie zum Nachweis für die Nutzung all meiner Handmaschinen installiere.“ Für die Umsetzbarkeit seien ihr jedoch auch auf Nachfrage keine Angaben gemacht wurden. Am Ende gab es Abhilfe vom Hersteller und aus der Verwaltung. Und doch bleibe immer die Frage nach der Haftbarkeit: „Was passiert eigentlich, wenn ich mich an Fristen nicht halte, mir eine Auflage durchrutscht oder ein Formular nicht selbsterklärend ist?“, fragt sich die Meisterin. Zur Motivation ihrer Mitarbeiter und auch um eigene Zeitkapazitäten zu schaffen, habe sie bereits vor zwei Jahren in ihrem Betrieb die Vier-Tage-Woche eingeführt. „Alle sind entspannter, leistungsstark und kreativer“, erzählt Severidt. „Ich nutze den freigewordenen Tag dann häufig für liegengebliebene Formulare, Anordnungen, Schriftverkehr und Ordnererstellungen – leider oft in digitaler Form und zusätzlich in der Printversion.“ Das Archiv im Keller wachse dabei unaufhörlich, die eigene Planungssicherheit nehme ab, öffentliche Ausschreibungen werden komplizierter. „Die Liebe zu meinem Beruf und die Arbeit mit dem Material wäre grenzenlos, wenn es mein Büro nicht gäbe“, sagt Severidt.

 www.severidt-metallbau.de



Fleischermeister Jens Neubauer: "Manchmal bin ich demoralisiert."

Besonders im Lebensmittelhandwerk sind viele Vorschriften sinnvoll und notwendig“, sagt Fleischermeister Jens Neubauer aus Braunschweig. Reinigungskonzept, Trinkwasseruntersuchung, Produktproben und Schädlingsbekämpfung seien wichtige davon. Und dennoch lasse die ständig wachsende Anzahl der behördlichen Auflagen immer weniger Zeit für das praktische Handwerk und den eigenen Betrieb. Das Verpackungsgesetz, die Bonpflicht, Statistikmeldungen, der Datenschutz, Preisangabenverordnungen, Etikettierungen, Pflichtverzeichnisse, Kennzeichnungen, Schulungsnachweise, Revisionsprüfungen, Gefährdungsbeurteilungen, die Arbeitszeiterfassung, die digitale Rückverfolgbarkeit innerhalb kürzester Zeit sind laut Neubauer nur einige der aufwendigen bürokratischen Dokumentationspflichten, die viel Zeit und noch mehr Geld kosten. Bei seinen 75 Mitarbeitern seien die Dokumentations- und Schulungspflichten auch im Personalbereich enorm. „Es gibt ständig neue Gesetze und Verfahren“, erklärt Neubauer. „Manchmal demoralisieren mich Abgabetermine, Verfahrensanweisungen und wieder neue Kontrollsysteme.“ Dabei möchte der Fleischermeister seiner Tochter Marie mittelfristig gern mit gutem Gewissen den Familienbetrieb übergeben. „Sie ist sehr engagiert, bringt sich bereits viel ein“, sagt er stolz. Daher versuche er die Umsetzung der Vorschriften mehr an den Betriebsalltag anzupassen, sich mit Kollegen zu besprechen. Der Erfahrungsaustausch im Fleischerhandwerk sei gut, der Optimismus der Politik gegenüber jedoch allgemein gedämmt.

Mit jedem neuen Gesetz fürchte der Handwerksmeister neue bürokratische Belastungen. Von Bürokratieentlastungsgesetz und Kontrollrat sei kaum etwas zu spüren. „Unsere Flexibilität, Innovations- und Wirtschaftskraft werden gebremst, nicht unterstützt“, betont der Meister. Zum Teil seien Regelungen kaum verständlich, eine Zettelwirtschaft entstehe nicht nur im Büro, auch an den Arbeitsplätzen. „Die Digitalisierung schreitet insgesamt nur langsam voran, Formulare sind schwer verständlich, zusätzlich auch ausgedruckt erforderlich.“, beschreibt Neubauer die Situation. „Auch ich muss in Zukunft wieder massiv investieren, um papierlos und unkomplizierter mit den Behörden kommunizieren zu können, wenn das erforderlich wird.“

  www.fleischerei-neubauer.de



Tischlermeister Jörg Klintworth
Handwerkskammer
Tischlermeister Jörg Klintworth

Metallbauermeisterin Kathrin Severidt
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Metallbauermeisterin Kathrin Severidt

Fleischermeister Jens Neubauer
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Fleischermeister Jens Neubauer



Tischlermeister Jörg Klintworth: "Unnötige Arbeitsbeschaffung?"

"Häufig stelle ich mir die Frage, was politische Entscheider sich bei den zahlreichen Regelungen eigentlich gedacht haben", sagt Tischlermeister Jörg Klintworth. Generell verstehe er den rechtlichen Grundgedanken hinter deutschen oder europaweiten rechtlichen Regelungen und der Vereinheitlichung zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). „Wir sind aber nicht alle gleich und in Sachen Papierkram macht es den mittleren und kleinen Betrieben das Leben unheimlich schwer“, betont er. Es sei bei der Vereinheitlichung der DSGVO nicht zwischen Tischler oder Großunternehmer unterschieden worden. „Alle müssen den gleichen ‚DSGVO-Führerschein‘ machen - obwohl der Tischler nur zu Fuß gehen will und der Großunternehmer am Steuer eines Flugzeuges Platz nimmt“, beschreibt der Meister. Die Vorschriften und bürokratischen Pflichten bedeuten laut Klintworth nicht nur immensen Zeitaufwand, sie sind auch ein hoher Kostenfaktor. Würde ein Regelverstoß begangen, koste das schon mal 1500 €, je nach Schwere des Vergehens.

Jörg Klintworth stellt fest: „Wir sind Handwerker, manchmal auch Kaufmänner, aber keine Juristen.“ Ganz oft handele es sich um Grauzonen und regelmäßig gebe es neue Regeln mit neuen Gerichtsurteilen. Aus Verzweiflung würden Webseiten und andere Kanäle schon abgeschaltet oder Funktionen deaktiviert. „Wer beispielsweise Google Fonts (Schriftarten) auf seiner Webseite nutzt, muss nach einem Gerichtsurteil aus 2022 dafür sorgen, dass diese lokal eingebunden werden. Aber wer kennt sich da genau aus?“ Meist sei die Abmahnung schon eingetrudelt, bevor das Rechtsvergehen überhaupt im vollen Umfang erkannt worden sei. Eine erste Rechtsberatung sei oft hilfreich und manchmal notwendig. „Das Handwerk soll Wachstum, Klimawende, Fachkräftemangel im Blick behalten, der Unternehmer muss sich aber vor lauter Vorschriften ständig fragen, ob es überhaupt erlaubt ist, wie er handelt“, beschreibt Klintworth. Anhand einer Checkliste habe er die DSGVO innerbetrieblich inklusive Onlinemaßnahmen abzuarbeiten. Die Checkliste sei 15 Seiten lang, die Maßnahmen daraus noch viel umfangreicher. „Manchmal fühlen sich die Auflagen, Formulare und Pflichten an wie unnötige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“, betont der 61-Jährige.

 www.klintworth-tischlerei.de