Interview mit Ute SchwiegershausenBürokratie im Handwerk

Das Handwerk fordert weniger Bürokratie.  Viele haben aber den Eindruck, dass es immer mehr wird. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Ute Schwiegershausen: Das Thema Bürokratie lässt unsere Betriebe tatsächlich nicht los. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass die Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen ohne bürokratischen Aufwand nicht funktioniert, soll heißen: Wir kämpfen nicht gegen die Bürokratie als solche – das wäre ein Kampf gegen Windmühlenflügel -, sondern gegen das Übermaß, beispielsweise gegen unsinnige Dokumentations- und Meldepflichten, die unsere inhabergeführten Betriebe zeitlich überfordern. Bei der Dokumentationspflicht der Arbeitszeit müssen wir erst einmal den von Minister Heil angekündigten Gesetzentwurf abwarten. Derzeit zeichnet sich zumindest ab, dass das Thema Vertrauensarbeitszeit nicht ausgeschlossen werden soll und auch Ausnahmeregelungen für Führungskräfte und weitere für Klein- und Kleinstbetriebe im Blick sind. Betriebe sind jedoch bereits jetzt gut beraten, einen sehr bewussten Umgang mit Überstunden, besonders mit geduldeten Überstunden ohne konkrete Anordnung zu pflegen. Dabei ist Transparenz immer eine gute Grundlage, um späteren Ärger zu vermeiden.

In welchem Bereich müssten die Betriebe dringend entlastet werden?

Ute Schwiegershausen: Bürokratischer Aufwand ohne jeglichen Mehrwert. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist ein schönes Fallbeispiel, wie einfache Sachverhalte durch überflüssige Bürokratie verkompliziert und damit fehleranfällig werden. Früher meldete sich der Arbeitnehmer morgens beim Betrieb krank, ging zum Arzt und brachte dann die AU Bescheinigung vorbei. Jetzt muss der Arbeitnehmer den Betrieb über die vom Arzt festgestellte AU informieren, der Betrieb muss sich dann mit seinen Zugangsdaten in sv. net/standard oder in sv. net/comfort anmelden und über "Informationen" > "Postfach" > "Posteingang" auf eine Rückmeldung, also die eAU warten. Hier wird aus einer Bringschuld des Arbeitnehmers eine Holschuld des Betriebes. Dies ist ein Einzelbeispiel, das durch viele weitere ergänzt werden könnte. Und darin liegt aus meiner Sicht das eigentliche Problem, nämlich die Summe der unterschiedlichsten bürokratischen Lasten: Nachweispflichten, Dokumentationspflichten, Statistikpflichten etc. Der Politik sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene ist es trotz einschlägiger Versprechen nicht gelungen, bei der Einführung neuer gesetzlicher Regelungen gleichzeitig alten gesetzlichen Ballast, damit Bürokratie abzuwerfen.

In Niedersachsen gibt es eine übergeordnete Clearingstelle, die alle Gesetzes- und Verordnungsvorhaben des Landes im Entstehungsprozess auf bürokratischen Mehraufwand überprüft. Inwieweit hat das Handwerk die Möglichkeit, dort seine Anliegen vorzubringen?

Ute Schwiegershausen: Hier hat das Handwerk viele Zugriffsmöglichkeiten. Die UHN sowie die Landesvertretung der Handwerkskammer Niedersachsens (LHN) sind Mitglied im Beirat der Clearingstelle und werden somit automatisch in die Anhörung zu den Gesetzesvorhaben einbezogen, können Stellungnahmen abgeben. Kammern und Verbände können initiativ werden und die Clearingstelle auf Gesetzesvorhaben aufmerksam machen, wenn diese Aufgabe nicht von den entsprechenden Ministerien übernommen wird, was leider viel zu häufig passiert. Voraussetzung bleibt aber immer, dass es sich um mittelstandsrelevante Gesetzesvorhaben handelt und vermeidbare Bürokratielasten erkannt wurden.

Nun werden ja viele Regelungen auf EU-Ebene eingeführt. Welche Möglichkeiten der Einflussnahmen bestehen da?

Ute Schwiegershausen: Auch bei europäischer Gesetzgebung gibt es eine Vorlaufzeit, in der die Handwerksorganisation mit ihren Vertretenden in Brüssel frühzeitig die Interessen des Handwerks wahrnehmen können. Über unsere niedersächsischen Europaabgeordneten können wir über Sachverhalte aufklären und Hintergründe darstellen, um den Meinungsbildungsprozess zu beeinflussen. Auch unsere Landesregierung tritt für die Belange des Handwerks in Brüssel ein. Nur letztlich ist die Stimme Deutschlands eine von 27. Das Versprechen der 1:1 Umsetzung von EU Regelungen in deutsches Recht wurde nur selten eingehalten.

An wen können sich Handwerkerinnen und Handwerker wenden, wenn sie auf Regelungen aufmerksam machen wollen, die ihrer Meinung nach keinen Sinn machen oder zu aufwendig sind?

Ute Schwiegershausen: Die erste Ansprechpartnerin ist aus meiner Sicht immer die Geschäftsstelle der jeweiligen Innung. Wir sind dankbar, wenn wir dann diese Hinweise übermittelt bekommen, um sie als Dachorganisation gegenüber der Politik und den Ministerien gezielt vorbringen zu können.

 

Kontakt

Ute Schwiegershausen, Geschäftsführerin der Unternehmerverbände Handwerk Niedersachsen e.V.
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Ute Schwiegershausen
Geschäftsführerin Unternehmensverbände Handwerk Niedersachsen e. V.

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Die UHN e. V. sind die Arbeitgebervereinigung des niedersächsischen Handwerks und damit Spitzenverband der niedersächsischen Handwerksverbände. Ihr Sitz ist in Hannover: www.handwerk-uhn.de