Interview mit Claudia MeimbresseTeilzeitausbildung im Handwerk

Wie offen sind Handwerksbetriebe Ihrer Erfahrung nach für eine Teilzeitausbildung?

Claudia Meimbresse: Teilzeitausbildung kann für junge Menschen, die familiäre Verpflichtungen haben oder alleinerziehend sind, eine wichtige Rolle spielen. Durch flexible Ausbildungsmodelle können diese jungen Menschen – im Falle einer Schwangerschaft insbesondere Frauen - Beruf und Familie besser vereinbaren und sind nicht dazu verdammt, ihre Ausbildung abbrechen zu müssen oder gar nicht erst beginnen zu können. Der Vorteil im Handwerk ist, dass es dort viele Familienbetriebe gibt, deren Inhaberinnen oder Inhaber die Herausforderungen für junge Mütter und Väter aus eigener Erfahrung kennen. Sie sind deshalb oft entsprechend kooperativ.

Ist es im Handwerk schwieriger, Teilzeitausbildungsplätze zu schaffen als etwa in der Industrie?

Claudia Meimbresse: Das kann man so pauschal nicht sagen. Grundsätzlich ist eine Teilzeitberufsausbildung in allen Berufen möglich. Und wenn eine Auszubildende plötzlich schwanger wird, dann ist eine Teilzeitausbildung eine gute Möglichkeit, um die Auszubildende, in deren Ausbildung vielleicht schon viel Zeit und Geld investiert wurde, halten zu können. Die erste Reaktion bei den Betrieben ist zwar oft ablehnend, doch mit zunehmender Information erscheint ihnen die Möglichkeit durchaus attraktiv. Und wenn ein Betrieb mit seiner ersten Teilzeitauszubildenden – meist sind es ja Frauen - gute Erfahrungen gemacht hat, ist er oft auch in Zukunft offener für diese Ausbildungsform. Betriebe sollten in so einem Fall aber auch darauf achten, ihre anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ins Boot zu holen, damit kein Neid entsteht und der Betriebsfrieden gewahrt bleibt.

Trotzdem ist die Teilzeitausbildung eher selten, oder?

Claudia Meimbresse: Insgesamt zeichnet sich ein Trend zu mehr Teilzeitausbildung ab. Das ist auch nicht erstaunlich, denn die Betriebe versuchen mit allen Mitteln, motivierte und leistungsfähige junge Leute zu finden - erst recht angesichts rückläufiger Zahlen an Bewerberinnen und Bewerbern. Das steigende Interesse der Betriebe an Teilzeitberufsausbildung ist aber sicher auch auf die veränderte Lebenssituation junger Menschen zurückzuführen. Das klassische Familienmodell, also dass die Frau mit den Kindern zu Hause bleibt und der Mann arbeiten geht, ist nicht mehr das einzig gültige. Die Zahl der Alleinerziehenden steigt und damit auch die Herausforderung, diesen jungen Frauen und Männern trotzdem die Möglichkeit einer Ausbildung und Berufstätigkeit zu bieten. Hier sollten die Betriebe offen für individuelle Lösungen sein und den Fokus auf die Kompetenzen der Auszubildenden legen, und zwar unabhängig von Geschlecht oder Arbeitszeitmodell.

Welche Vorteile hat ein Betrieb, wenn er Teilzeitausbildung anbietet?

Claudia Meimbresse: Angesichts der Schwierigkeiten vieler Betriebe, überhaupt Auszubildende zu finden, kann das Angebot von flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen ein Vorteil gegenüber anderen Ausbildungsbetrieben sein. Natürlich müssen diese Möglichkeiten in Stellenanzeigen und Unternehmenspräsentationen dann auch entsprechend kommuniziert werden. Das Angebot von Teilzeitausbildungen ist damit nicht nur ein Vorteil für die betroffenen Mitarbeitenden, sondern auch für die Betriebe, die dadurch auch solche potenziellen Bewerberinnen und Bewerber erreichen, die auf eine Teilzeitausbildung angewiesen sind. Außerdem gibt es Untersuchungen, wonach Arbeitsleistung und Lernerfolg der Lehrlinge in Voll- und Teilzeitausbildung gleich hoch sind. Und hinsichtlich Zuverlässigkeit und Motivation schneiden Teilzeitauszubildende sogar besser ab als Vollzeitlehrlinge.