Interview mit Dr. Christian WelzbacherFörderung der Bildungsstätten

Warum ist es sinnvoll, die überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks finanziell durch Bundes- und Landesmittel zu fördern?

Dr. Christian Welzbacher: Die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer öffentlichen Förderung der überbetrieblichen Bildungsstätten ergibt sich direkt aus deren Bedeutung für die Wirtschafts- und Leistungsfähigkeit des deutschen Mittelstands insgesamt. Die überbetrieblichen Bildungsstätten agieren als strategisch wichtige Partner kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) bei der Umsetzung der überbetrieblichen Ausbildung und zur Teilhabe an Fort- und Weiterbildungen. Sie übernehmen also einen staatlichen Bildungsauftrag und sind moderne Bildungsdienstleister mit einem breiten Angebotsportfolio. Das erfordert eine Unterrichtung, Einweisung und Schulung an Maschinen und Geräten, die nur in entsprechend modern ausgestatteten Werkstätten erfolgen kann. Durch immer kürzere Innovationszyklen ergeben sich zugleich auch immer kürzere und kostenintensivere Modernisierungsintervalle der technischen Ausstattung, um den Transfer neuer Technologien und Verfahren in die Betriebe zu gewährleisten. Diese Investitionen sind von den zumeist kleinen Betrieben des Handwerks nicht ohne öffentliche Förderung zu finanzieren.

Sie begutachten viele Förderanträge von Bildungsstätten - welche Kriterien sind dabei ausschlaggebend?

Dr. Christian Welzbacher: Die wichtigsten Prüfkriterien aus der Förderrichtlinie des Bundes sind das Vorhandensein einer schlüssigen Darstellung von Bedarf und Notwendigkeit, die wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Mittel, ein Bezug zu technologischen Entwicklungen und Lehrgangsinhalten und eine erkennbare Relevanz für das Handwerk. Die Bedarfsprüfung, also die Auslastung der Werkstätten spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn nur wenn eine hohe Auslastung der Werkstätten nachvollziehbar gegeben ist, kann eine Förderung empfohlen werden. Durch die demographische Entwicklung und den Trend von Schulabgängern zur Aufnahme eines Studiums an Stelle einer beruflichen Ausbildung wird es aber herausfordernder, junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen und die Bildungszentren förderfähig auszulasten. Moderne Werkstätten mit modernen Bildungskonzepten spielen daher eine Schlüsselrolle, um als attraktiver Lernort mit zeitgemäßen Bildungsinhalten wahrgenommen zu werden.

Was passiert, wenn Sie Schwachpunkte in den Anträgen entdecken?

Dr. Christian Welzbacher: Wir treten in der Regel frühzeitig mit antragstellenden Bildungsstätten in Kontakt, um das Begutachtungs-Verfahren und die von uns benötigten Daten zu erläutern. Vorrangig sind es eher Probleme bei der passgenauen Erstellung der erforderlichen Antragunterlagen als inhaltliche „Schwachpunkte“, denn im Regelfall entstehen Ausstattungsanträge aus einem konkreten Bedarf in der täglichen Bildungsarbeit. Deswegen unterstützen wir Antragsteller auch in der Vorbereitung einer Antragstellung mit Video-Tutorials, auf Informationsveranstaltungen sowie mit individueller Beratung.

Welches Ziel steht für Sie bei Ihrer Gutachtertätigkeit im Mittelpunkt?

Dr. Christian Welzbacher: Vorrangiges Ziel für uns ist es, die von den Bildungsstätten des Handwerks benötigte Zuwendung im Sinne der Förderrichtlinie mit für alle Bildungsstätten gleichen Kriterien zur Wirkung kommen zu lassen. Allgemeine Kostensteigerungen, zunehmende Verwaltungskosten und beschleunigte Anpassungen an den Stand der Technik schränken den Spielraum der Bildungsstätten immer weiter ein, so dass eine zielorientierte und rasche Zurverfügungstellung der notwendigen Werkzeuge für die anspruchsvolle Bildungsarbeit elementar ist. Gleichzeitig ist es unser Ziel für unsere Auftraggeber, die Zuwendungsgeber des Bundes und der Länder, dabei zu unterstützen, die verfügbaren Haushaltsmittel richtlinienkonform komplett auszureichen werden inhaltliche Schwerpunkte zu gestalten und umzusetzen.

Wie sieht die konkrete Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den Bildungszentren bzw. Handwerkskammern darüber hinaus aus?

Dr. Christian Welzbacher: Wir sind als HPI vor allem in engem Kontakt mit den Bildungszentren und der Handwerksorganisation insgesamt. So organisieren wir beispielsweise einmal im Jahr einen bundesweiten mehrtägigen Erfahrungsaustausch der Leitungen von Berufsbildungszentren im Handwerk - das HPI-Kontaktstudium - sowie mehrere regionale Veranstaltungen. Über die bei uns im Haus ansässige Zentrale Leitstelle für Technologietransfer im Handwerk (ZLS), die durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert ist, koordinieren wir u.a. die Arbeit der bundesweit insgesamt ca. 130 Beauftragten für Innovation und Technologie (BIT) und führen ein Technologiemonitoring im Handwerk aus. Dadurch erlangen wir Erkenntnisse zu technologischen Entwicklungen auch aus betrieblicher Sicht.

 

Kontakt

Dr. Christian Welzbacher, Leiter des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover (HPI), dem größten Forschungsinstitut innerhalb des Deutschen Handwerksinstituts e.V. und Dienstleister für angewandte Forschung.

www.hpi-hannover.de