Dr. Bierich informiert"Lasst uns froh und munter sein" - das arbeitsrechtliche Weihnachten
In der Adventszeit haben Weihnachtsfeiern im Betrieb Hochkonjunktur. Die Arbeitnehmer freuen sich in der Mehrzahl auf einen schönen Abend im Kollegenkreis mit weihnachtlicher Bewirtung wie Gänsebraten, Rotkohl und Klößen. Auch Glühwein oder Eiergrog dürfen nicht fehlen. Und der Arbeitgeber setzt auf einen Motivationsschub und eine Teamstärkung durch das vorweihnachtliche Miteinander. Doch diese auf den ersten Blick unproblematische Veranstaltung kann es arbeitsrechtlich in sich haben, wie ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung zeigt. Denn für den ein oder anderen Arbeitnehmer ist die betriebliche Weihnachtsfeier der Anlass für Grenzüberschreitungen; in ausgelassener Stimmung will man mal „Fünfe gerade sein lassen“. Nicht selten kommt es dann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung durch den Arbeitgeber. So hatte sich das Arbeitsgericht Elmshorn mit dem Fall einer sexuell belästigenden Äußerung eines 32-jährigen Arbeitnehmers gegenüber einer Kollegin zu befassen (Urteil vom 26.04.2023, Az.: 3 Ca 1501 e/22).
Der Arbeitnehmer war in einem Bodenlegerbetrieb mit sechs Mitarbeitern und einer Mitarbeiterin seit 2019 tätig. Auf der Weihnachtsfeier im Dezember 2022 sammelte die Kollegin Geld für ein Geschenk ein, was der spätere Kläger auf derbste Art und Weise kommentierte (auf ein wörtliches Zitat wird hier vom Autor verzichtet). Noch am gleichen Abend beschwerte sich die Kollegin beim Geschäftsführer; der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis vier Tage später fristlos. Zu Recht, so zunächst das erstinstanzliche Arbeitsgericht und wies die Kündigungsschutzklage ab. Die Äußerung des Klägers stelle nach Auffassung des Gerichts eine besonders krasse Form der Herabwürdigung dar und könne nur als frauenfeindlich beziehungsweise sexistisch verstanden werden. Auch die Gesamtumstände der Weihnachtsfeier – es wurde Alkohol in gelöster Stimmung konsumiert – mache die öffentliche Äußerung des Klägers nicht weniger schlimm. Der Arbeitgeber müsse mit einer außerordentlichen Kündigung reagieren, da anderenfalls das Ansehen der einzigen Kollegin unter den Kollegen und im Unternehmen unwiederbringlich geschädigt werde. Daher war nach Auffassung des Gerichts eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Nach Einlegung der Berufung haben sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt (Az.: 6 Sa 71/23).
Über den Fall einer (nachträglichen) weinseligen Weihnachtsfeier am 12.01.2023 und ihre arbeitsrechtlichen Folgen hatte das LAG Düsseldorf am 12.09.2023 zu verhandeln (Az.: 3 Sa 284/23). Zwei Mitarbeiter einer Winzergenossenschaft hatten die an sich schon schlechte Idee, die betriebliche Weihnachtsfeier noch „inoffiziell“ im Weinkeller der Arbeitgeberin fortzusetzen. Dort leerten sie nicht nur vier Flaschen Wein, sondern ließen diese leer auf einem Tisch zurück nebst zahlreichen Zigarettenstummeln in einem Mülleimer. Auf dem Fußboden lag eine zerquetschte Mandarine, die zuvor an eine Wand geworfen worden war. Und einem der beiden Mitarbeiter war dann auch noch neben der Eingangstür schlecht geworden. Einer der Mitarbeiter räumte am 16.01.2023 gegenüber der Arbeitgeberin ein, „etwas Scheiße gebaut“ zu haben und bezahlte den verzehrten Wein. Die Arbeitgeberin allerdings – jetzt auch in Katerstimmung – kündigte am 25.01.2023 beide Arbeitsverhältnisse fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30.04.2023. Einer der Mitarbeiter erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Während das Arbeitsgericht Wuppertal (Urteil vom 24.03.2023, Az.: 1 Ca 180/23) eine Abmahnung als Sanktion für ausreichend erachtete und der Klage stattgab, machte das LAG Düsseldorf in der mündlichen Verhandlung seine gegenteilige Ansicht deutlich. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung hielt es eine Abmahnung für nicht ausreichend. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen der Kläger schließen konnte, dass die Arbeitgeberin sein Verhalten dulden werde. Im Rahmen der Interessenabwägung sei lediglich über die Frage „fristlos“ oder „fristgemäß“ zu entscheiden. Im Ergebnis einigten sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer sozialen Auslauffrist zum 28.02.2023.
Fazit: Auch auf einer Weihnachtsfeier gibt es keinen Freifahrtschein für sexuell belästigende Äußerungen. Und auch übermäßiger Alkoholkonsum kann für Arbeitnehmer ernsthafte Konsequenzen haben. Wer aber seine guten Manieren nicht vergisst und nur so viel trinkt, wie er verträgt, wird das Jahr 2023 in entspannter Atmosphäre im Kreis seiner Kollegen Revue passieren lassen können. Frohe Weihnachten!
Für die arbeitsrechtliche Beratung bei Konflikten im Arbeitsverhältnis stehen Betrieben, die Mitglieder einer Innung sind, die Kreishandwerkerschaften exklusiv zur Verfügung.