Simon Allers hat den Betrieb von seinem ehemaligen Chef Hermann Hinck übernommen.
Schmitz / Handwerkskammer

Freud und Leid

Den eigenen Betrieb einem Nachfolger zu überlassen, ist Freud und Abschied zugleich. Hermann Hinck aus Otterndorf hat seinen Zimmereibetrieb mit dem besten Gefühl übergeben. Fotografin Verena Rocksen aus Lüneburg musste andere Erfahrungen sammeln.

Jung sollte er sein und seinen Beruf lieben. Das waren die Wunschvorstellungen von einem Nachfolger für Hermann Hinck, der seinen Zimmerei-, Tischler- und Dachdeckerbetrieb in Otterndorf im vergangenen Jahr nach vielen Jahrzehnten übergeben hat. Er selbst hatte den Familienbetrieb mit 27 Jahren von seinem Vater übernommen. „So hatte ich die Möglichkeit, früh erste Erfahrungen als Chef zu sammeln und noch im Betriebsalltag von dem Wissen meines Vaters zu profitieren“, erklärt der 67-Jährige. Er wollte es nun genauso machen.

Simon Allers sei zwar nicht sein Sohn, aber der perfekte Nachfolger. „Irgendwie gehört er auch zur Familie“, sagt Hinck. Der junge Zimmerer- und Dachdeckermeister ist seit vielen Jahren bereits im Betrieb beschäftigt. „Mit 14 absolvierte ich das erste Schülerpraktikum im Unternehmen“, erinnert sich Simon Allers. Schon damals sei er begeistert gewesen: vom Holz, Gewerk und dem Familienbetrieb. „Der Betrieb hat nicht nur einen guten Ruf, die Sympathie und Atmosphäre hatten einfach von Anfang an immer gestimmt“, erinnert sich der 26-Jährige. Auch während der Zeit als Lehrling und Geselle. Als ihm dann vor ein paar Jahren die Option offenbart wurde, den Betrieb zu übernehmen, habe es für ihn keinen Zweifel gegeben. „Ich wollte den Familienbetrieb weiterführen“, sagt Simon Allers.

Der 26-jährige Zimmerer- und Dachdeckermeister Simon Allers hat den Betrieb seines ehemaligen Chefs übernommen.
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Hermann Hinck aus Otterndorf hat seinen Betrieb übergeben.
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Er besuchte die Meisterschule, bildete sich weiter, wollte Hermann Hinck und seine Frau Lore zur Unterstützung im Betrieb behalten. „Das Vertrauen ist groß, der Erfahrungsschatz noch größer“, sagt der junge Chef. Er wolle keineswegs darauf verzichten.

Übernahme im Coronajahr 2020

Die offizielle Betriebsübergabe fiel dann ausgerechnet in das Coronajahr 2020. „Meine Bedenken konnte ich schnell verwerfen, denn im Lockdown und ohne Urlaub investieren die Menschen in ihr Haus“, erklärt er. Die Auftragslage sei trotz der Pandemie sehr gut. Er wolle, wie schon Hermann Hinck, weiter ausbilden. Im August fange wieder ein neuer Lehrling im Betrieb an. Dass der Betrieb nach Familientradition weitergeführt wird, sei dem Übergeber Hinck wichtig: „Ich habe großes Interesse daran, dass die Firma in meinem Sinne von Simon weitergeführt wird“, sagt Hermann Hinck. Er habe ihm auch aus diesem Grund keinerlei Steine in den Weg legen wollen, weder den Verkaufspreis für die Firma betreffend, noch seine eigene Weiterbeschäftigung im Betrieb.

Problematische Übergabe

Verena Rocksen musste hingegen einige Steine aus dem Weg räumen, bevor die Übernahme des Studios Lüdeking in Lüneburg im vergangenen Jahr vollzogen werden konnte. Die Gesellin im Fotografenhandwerk hatte bereits Jahre zuvor mit dem Betriebsinhaber Gespräche bezüglich der Betriebsübergabe geführt. Zu dem Zeitpunkt war sie als Fotografin in einem kleinen Team im Studio angestellt. Das Verhältnis zwischen dem Chef und ihr sei gut gewesen. „Mir wurde die Studioleitung übertragen, das Vertrauen war sehr groß“, erinnert sich Verena Rocksen.

Mit Hilfe der Handwerkskammer seien bereits im Jahr 2017 Verträge ausgehandelt worden, der Verkaufspreis stand fest. „Wir waren alle glücklich mit den  Entwicklungen“, sagt die 36-Jährige. Sie habe ihren Mann in den Betrieb geholt, um die spätere Betriebsführung noch besser schultern zu können. Damit er bestmöglich vorbereitet ist, habe er die Ausbildung zum Fotografen durchlaufen wollen. „Leider begannen mit diesem Unterfangen die Probleme“, sagt die Handwerkerin. Der neue Azubi und der Chef entpuppten sich als kein gutes Team. „Unsere Auszubildenden sind in der Regel junge Schulabgänger“, erklärt Verena Rocksen. Ihr Mann habe bereits ganz anders im Leben gestanden, der Umgang miteinander hätte entsprechend angepasst werden müssen. Hinzu sei gekommen, dass der Abschied für den Betriebsinhaber immer näher rückte, was scheinbar auf die Stimmung drückte.

„Für meinen Mann und mich stand im Gegenzug der Neuanfang bevor“, sagt sie. Sascha Rocksen brach die Ausbildung ab. Zu groß seien die Differenzen gewesen. Die Übergabe des Betriebs habe zwischenzeitlich auf der Kippe gestanden, die Lage hatte sich zugespitzt. „Wir waren nicht mehr in der Lage, ein Gespräch miteinander zu führen – die Situation zwischen meinem Chef und mir war zu verfahren“, erzählt die Fotografin. Dabei seien es Kleinigkeiten gewesen, die die Atmosphäre vergiftet hätten. Das Vertrauen sei verloren gegangen.

Fotografin Verena Rocksen aus Lüneburg hat eine steinige Betriebsübernahme hinter sich.
privat

Im Übergabejahr 2020 sei ihr dann zugute gekommen, dass bereits drei Jahre zuvor alle Verträge geschlossen wurden und die Übergabe des Inventars feststand. „Zwischenzeitlich hatte ich große Zweifel, ob es tatsächlich zur Betriebsübergabe kommt“, erinnert sie sich. Verena Rocksen habe ihre Vision vom eigenen Studio aber nicht aufgeben wollen. Für die anstehende Inventur und schlussendliche Schlüsselübergabe habe immer eine Mittlerperson anwesend sein müssen. Im Lockdown startete Verena Rocksen dann als ihre eigene Chefin gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Angestellten in einen neuen Lebensabschnitt. „Trotz der vielen Widrigkeiten bereue ich gar nichts“, betont sie. Dass ihr Start nun ausgerechnet mit der Corona-Pandemie beginnen sollte, sei nicht optimal gewesen. „Wir haben den Lockdown genutzt, um umfangreiche Renovierungsarbeiten im Studio vorzunehmen. Die Hochzeiten und großen Feste haben aber in den Auftragsbüchern  gefehlt“, sagt sie. Verena Rocksen möchte positiv in ihre Zukunft als Betriebsinhaberin schauen: „Ich bin stolz auf mein Fotostudio, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass alles etwas harmonischer abgelaufen wäre.“

Verena Rocksen mit ihrem Team im Studio Lüdeking in Lüneburg.
privat

Nachfolgemoderation

In der Handwerkskammer gibt es das geförderte Projekt Nachfolgemoderation für die Region Lüneburg-Stade. Die Nachfolgemoderatorin tritt als zentrale Ansprechpartnerin und Koordinatorin im Bereich Nachfolge auf. Für eine optimale Planung und Begleitung vernetzt sie alle Serviceeinrichtungen der Handwerkskammer.

Die Nachfolgemoderatorin Katharina Meier unterstützt bei der Suche nach einem passenden Betrieb oder nach einem*r passenden Nachfolger*in. Individuelle Fragen werden geklärt und die Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Betriebsübergabe gemeinsam bewältigt. Informationen über geeignete Finanzierungsmöglichkeiten und rechtliche Anforderungen gibt es von einem Netzwerk von Fachleuten.



Woran scheitert Ihrer Erfahrung nach eine Nachfolgeregelung am Häufigsten?

Katharina Meier: Ein häufiger Grund ist, dass die Frage der Nachfolge zu lange vor sich hergeschoben wird. Das kann dazu führen, dass Chancen verpasst werden und schließlich unter Zeitdruck irgendeine Lösung gefunden werden muss, die nicht mehr funktioniert. Besonders herausfordernd dabei ist, dass es nicht nur um unternehmerische Aspekte geht, sondern auch um emotionale und sehr persönliche. Der Erfolg der Nachfolge steht und fällt daher mit der Motivation des Übergebenden: Ist es der eigene persönliche und ehrliche Entschluss, übergeben zu wollen? Oder ist es der Wunsch des Umfeldes? Ist das nicht klar, dann kommt es häufig zu Komplikationen und die Nachfolge kann scheitern. In den seltensten Fällen ist jedenfalls der Kaufpreis des Unternehmens der Grund.



Welche ersten Überlegungen raten Sie einem Betriebsinhaber, der an Übergabe denkt?

Katharina Meier: Im Idealfall wird Nachfolge von Beginn der Selbstständigkeit an als permanente, strategische Aufgabe verstanden, die mit fortschreitendem Alter des Unternehmers oder der Unternehmerin an Bedeutung gewinnt. Zuerst empfehle ich grundsätzlich zu klären, wie man persönlich zum Thema Betriebsübergabe steht, und dann eine klare Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen. Im zweiten Schritt muss abgeglichen werden, welche Voraussetzungen bereits gegeben sind und welche noch geschaffen werden müssen, um das Ziel Betriebsübergabe zu erreichen. Daraus lässt sich ein individueller Fahrplan entwickeln, ein roter Faden, der einen Überblick über die konkreten Maßnahmen bietet, die ergriffen werden müssen.

 

Was sollte unbedingt beachtet werden, um ein Scheitern zu vermeiden?

Katharina Meier: Voraussetzung für eine gelungene Nachfolge ist eine persönliche Bestandsaufnahme sowohl des Übergebenden als auch des Übernehmenden, um den weiteren Kurs der Nachfolgeplanung zu bestimmen. Um ein Scheitern zu vermeiden, sollten außerdem folgende Punkte beachtet werden:

Die Motivation entscheidet

  • die eigene Motivation kennen
  • Erwartungshaltungen klären, und zwar auf beiden Seiten
  • rechtzeitig mit der Klärung nachfolgerelevanter Aspekte beginnen
  • eine verbindliche und gemeinsame Übergabestrategie entwickeln (roter Faden)

Ein weiterer Rat lautet außerdem, sich Unterstützung von außen zu holen, zum Beispiel durch die Nachfolgemoderation, damit kein wichtiger Aspekt unberücksichtigt bleibt und die Unternehmensnachfolgeplanung leichter wird.

 

Welche Möglichkeiten haben Sie, um zu vermitteln, falls die Übergabe nicht reibungslos funktioniert?

Katharina Meier: Falls es Probleme gibt, erhöhen sich die Chancen auf eine gute Lösung, wenn eine unabhängige dritte Person hinzugezogen wird, also zum Beispiel ich als Nachfolgemoderatorin. Maßgeblich bei meiner Unterstützung ist dann, zu welchem Zeitpunkt es hakt und wie verhärtet die Fronten bereits sind. In manchen Fällen kann eine bessere Vorbereitung auf die Nachfolgeverhandlungen der Schlüssel zum Erfolg sein und die Nachfolgeplanung wieder in Schwung bringen. Liegen die Ursachen schon zu Beginn des Prozesses oder entstehen sie erst nach der Nachfolgeregelung, kann mit Coaching oder Mediation geholfen werden.

 

Gibt es durch Corona Rückzieher oder Besonderheiten im Nachfolgeprozess?

Katharina Meier: Wirklich coronabedingte Rückzieher habe ich nicht feststellen können. Die Zahl der in 2020 erfolgreich abgeschlossenen Unternehmensnachfolgen unterscheidet sich nicht von der, die in den Projektjahren zuvor ohne Pandemie realisiert worden sind.

 

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Das Projekt Nachfolgemoderation wird durch die Europäische Union und das Land Niedersachsen gefördert.